Psychoanalyse & Film
Von der Macht der Verdrängung im Nachkriegsdeutschland
vorgestellt von E. Tilch-Bauschke und H. J. Bauschke
Deutschland 2014
Regie: Giulio Ricciarelli
Darsteller: Alexander Fehling, André Szymanski, Gert Voss, Friederike Becht, Johann von Bülow, Hansi Jochmann, Johannes Krisch.
„Auschwitz? Das waren doch Schutzlager!“ Mit ihren Geschichtskenntnissen ist die Staatsanwaltschaft in Frankfurt nicht gerade vorbildlich - aber das scheint allemal typisch für die Bundesrepublik der Nachkriegszeit. Man schreibt das Jahr 1958. „Der Adenauer macht das schon!“, reden die Leute, „Frauen dürfen nun auch ohne Zustimmung des Ehemanns arbeiten“, meldet das Radio. Wirtschaftswunder, Konsum sowie heimelige Schlager bestimmen den Zeitgeist. In dieser biederen Gemütlichkeit der Vergessens und Verdrängens wirkt Thomas Gnielka, Journalist der Frankfurter Rundschau, wie ein lästiger Störenfried. Als er einen Lehrer anzeigen will, den er als ehemaligen KZ-Wärter enttarnt hat, erntet er nur Spott bei den Behörden. Lediglich der junge Staatsanwalt Johann Radmann (Alexander Fehling) nimmt sich der Sache heimlich an. Eigentlich ist er für Verkehrsdelikte zuständig, doch nun ist seine juristische Neugier geweckt. Je mehr er ermittelt, desto größer ist sein Erschrecken über die NS-Verbrechen. Er freundet sich mit dem Journalisten an und lernt durch ihn einen jüdischen Überlebenden von Auschwitz kennen. „Dieses Land will die Wahrheit nicht wissen!“, sagt der Mann, der über den Mord an seinen Zwillingen im Vernichtungslager nie hinweggekommen ist. Doch Radmann will diese Wahrheit wissen, erst recht, als er Unterlagen entdeckt, die auf die Spur der Täter führen....(...)
Als ganz großer Pluspunkt erweist sich die Besetzung. Ex-„Goethe!“ Alexander Fehling gibt den jungen Wilden auch als Aktenfresser in der muffigen Amtsstube mit Gummibaum-Deko mit angenehmer Lässigkeit und balanciert souverän zwischen stur und verletzlich. Theater-Ikone Gert Voss als sein Mentor und Vorgesetzter ist der grandios leinwandpräsente Fels in der Brandung. Mit dieser letzten Vorstellung vor seinem Tod setzt er Fritz Bauer ein wuchtiges, würdiges Denkmal.
Dieter Oßwald
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