Kanada / D 2014
Regie: David Cronenberg
Darsteller: Julianne Moore, Mia Wasikowska, John Cusack, Robert Pattinson
Filmlänge: 111 Minuten
Goldene Palme für Julianne Moore als Beste Schauspielerin beim Festival Cannes 2014
Als "Hohepriester des Horrors" wurde er früher gerne bezeichnet, die blutigen Zeiten des David Cronenberg ("Die Fliege") liegen freilich lange zurück. Mittlerweile interessiert den 71jährigen Regisseur mit dem eiskalten Forscherblick und der stilsicheren Handschrift das Grauen menschlicher Abgründe. Zuletzt obduzierte er das Verhalten eines fiesen Finanzhai in "Cosmopolis", nun geht es um eine durchgeknallte Diva und das Fegefeuer der Eitelkeiten in der Traumfabrik.
Die vierfache Oscar-Kandidatin Julianne Moore gibt den in die Jahre gekommenen Star mit massivem Mutterkomplex. Dass ihre besten Zeiten längst vorbei sind hat Havana Segrand fleißig verdrängt, trotzig träumt sie von der großen Rolle: Im Remake jenen Part zu spielen, mit dem die Frau Mama einst berühmt wurde. Hilfe holt sich Havana bei einem Psycho-Guru aus der TV-Reklame. Dieser aufgeplusterter Therapeut kennt sich mit Glamour-Sorgen aus, schließlich ist Dr. Stafford Weiss (John Cusack) der Vater eines zickigen Kinderstars mit reichlich Drogen- und vielen Ego-Problemen. Noch neurotischer als diese Justin Bieber-Kopie ist die ältere Schwester Agatha (Mia Wasikowska), die einst den heimischen Bungalow abfackelte und aus Image-Gründen in die Psychiatrie im fernen Florida abgeschoben wurde. Jetzt kehrt Agatha zurück und nistet sich bei Havana als deren persönliche Assistentin ein – sehr zum Schrecken des Vaters. Schließlich weiß Dr. Weiss, welch düsteres Familiengeheimnis es zu bewahren gilt!
Den Wahnsinn dieser Familie im Besonderen und jenen von Hollywood im Allgemeinen porträtiert Cronenberg, wie gewohnt, mit eiskaltem Blick, atmosphärischer Dichte und visueller Eleganz. Neben dem perfekt perfiden Psychodrama, das mit surrealen Geist-Erscheinungen aufgehübscht wird, macht sich der Kanadier mit Lässigkeit über die schizophrenen Eitelkeiten der Unterhaltungsindustrie lustig, wo an jeder Ecke Missgunst, Gier und Heucheleien lauern und man für die Wege zum Ruhm auch über Leichen geht. Natürlich darf dabei der wohl legendärste Versager der Glitzerwelt nicht fehlen: Der erfolglose Drehbuchautor/Schauspieler, der sich als Chauffeur über Wasser hält und einflussreichen Fahrgästen schon 'mal auf der Rückbank sexuell gefällig wird. Ihn gibt Robert Pattinson, der sich mit sichtlichem Vergnügen von seiner Teenie-Schwarm-Vergangenheit als "Twilight"-Vampir frei spielt und dabei auch schon gerne einmal zur blonden Langhaar-Perücke greift. Schon vor zwei Jahren gab Cronenberg dem Star mit "Cosmopolis" eine Chance und hat ihm mit ernsthaften Rollen gleichsam aus dem Hollywood-Wahn gerettet.
"Kenn-ich-weiß-ich-war-ich-schon" warfen notorische Nörgler dieser Groteske vor. Klar, sind Späße über die Macken der Promis so alt wie das Star-System selbst. Entscheidend ist freilich, wie bei allen Witzen, wie sie erzählt werden. Mit seinen elegant verknüpften Erzählsträngen sowie gekonnt gesetzten, bösen Seitenhieben gelingt Cronenberg eine vergnügliche Farce, die zugleich als perfides Psychodrama mit Überraschungseffekt bestens funktioniert.
Dieter Oßwald
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