Irland 2014
Regie: John Michael McDonagh
Darsteller: Brendan Gleeson, Kelly Reilly, Chris O’Dowd, Aidan Gillen, Dylan Moran, David Wilmot
Filmlänge: 100 Minuten
Der teuflische Countdown läuft: Im Beichtstuhl seiner Kirche erfährt der überraschte Dorfpfarrer James Lavelle (Brendan Gleeson) das Todesurteil. In genau einer Woche will ihn ein Unbekannter am Strand erschießen. Die perfide Rache dafür, als Kind jahrelang von einem mittlerweile verstorbenen Priester sexuell missbraucht worden zu sein. Lavelle hat mit dem Verbrechen seines Amtsbruders absolut nichts zu tun, dennoch soll er dafür büßen. Das Beichtgeheimnis verbietet es zur Polizei zu gehen. Deshalb versucht Lavelle auf eigene Faust seinen künftigen Mörder zu finden, um ihn von der Tat abzuhalten. Leichter gesagt als getan. Denn die Schäfchen seiner Gemeinde entpuppen sich als wahre Wölfe. Vom rassistischen Metzger über den koksenden Doktor bis zum protzigen Bankier reicht der Mikrokosmos im dörflichen Sündenpfuhl, hinzu gesellen sich ein Mädchen-Mörder (hinter Gittern), ein scheinheiliger Bischof, ein todessüchtiger Schriftsteller sowie die fragile Tochter des Priesters, die gerade einen Suizid-Versuche hinter sich hat. Für sie alle hat der gute Hirte trotz seiner verzweifelten Lage stets ein offenes Ohr. „Vergebung wird ziemlich stark unterschätzt“, sagt er und erträgt es mit Gleichmut wenn nachts die Kirche abgefackelt wird oder der reiche Angeber als perfide Machtdemonstration auf ein teures Gemälde pinkelt. Später wird der Bonze kläglich jammern: „Ich habe Frau und Kinder. Ich habe Geld. Ich habe ein Leben - nichts davon bedeutet mir etwas.“ Bleibt spannend abzuwarten, ob das Schicksal am nächsten Sonntag dem herzensguten Priester eine ähnlich ausgleichende Gerechtigkeit gönnen wird…
Inspiriert von Robert Bressons „Tagebuch eines Landpfarrers“ mischt der Ire John Michael McDonagh den existentialistischen Klassiker grandios als spannenden Krimi um Schuld und Sühne auf. Wie zuvor im Cop-Thriller „The Guard - Ein Ire sieht schwarz“ kann sich der talentierte Regisseur wieder auf seinen famosen Hauptdarsteller Brendan Gleeson verlassen, der in dieser Rolle zu absoluter Bestform aufläuft. Seine charismatische Ausstrahlung samt schauspielerischer Präzision zaubert jene Kinomagie, die den Zuschauer unweigerlich zum Komplizen macht und am Passionsweg dieses Priesters auf Anhieb Anteil nehmen lässt. Doch nicht nur, weil man diesem Schauspiel-Titan stundenlang zuschauen könnte gerät dieses Drama zum Genuss. Dramaturgisch entpuppt sich Autor und Regisseur McDonagh als makelloser Erzähler, der sein Figurenkabinett perfekt im Griff hat und mit funkelnden Dialogen glänzt, die zwischen schwarzem Humor, philosophischer Weisheit oder erschütternden Aussagen schwanken. Gleich zum Auftakt im Beichtstuhl ein Paukenschlag, der in nur einem Satz das Elend von Kindesmissbrauch tragisch auf den Punkt bringt: „Mit 7 Jahren habe ich zum ersten Mal Sperma geschmeckt“ erzählt das traumatisierte Opfer, das nun zum rächenden Täter an dem unschuldigen Priester werden will.
Ob der große Unbekannte aus dem Beichtstuhl den angekündigten Mord wirklich in die Tat umsetzt? Das muss man in diesem auch visuell perfekten Meisterwerk unbedingt selbst im Kino erleben! Eine gute Nachricht sei indes verraten: McDonagh hat bereits ein neues Werk angekündigt, das „The Guard“ und „Am Sonntag bis du tot“ zur Trilogie werden lassen soll.
Dieter Oßwald
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