USA 2013
Regie und Buch: John Maloof, Charlie Siskel
Kamera: John Maloof
Produzenten: John Maloof, Charlie Siskel
Länge: 84 Minuten
Eine Kiste voller Foto-Negative wird für John Maloof zum Schicksal. Er ist auf der Suche nach alten Fotos und ersteigert den Karton. Zum Vorschein kommen tausende von Aufnahmen. Straßenszenen aus dem New York und Chicago der 50er- und 60er-Jahre. Schnell erkennt Maloof: Was er hier in Händen hält, ist ein Schatz; die Fotos sind von herausragender künstlerischer Qualität, vergleichbar mit denen von Diane Arbus oder Garry Winogrand. Er bemüht sich, Vivian Maiers Arbeit bekannt zu machen. Und kommt dabei ihrem eigenen, merkwürdigen Leben auf die Spur. Sie legte größten Wert auf ihre Privatsphäre, sammelte Tageszeitungen, bis sich sich unter die Decke stapelten, sprach mit einem künstlichen französischen Akzent. Durch detektivische Kleinarbeit und Interviews mit ihren ehemaligen Arbeitgebern und den betreuten Kindern kommt Maloof der Person Vivian Maier immer näher – aber ein düsteres Geheimnis bleibt.
„Finding Vivian Maier“ ist eine ungewöhnlich spannende und faszinierende Dokumentation. Das liegt auch daran, dass der Film gleich auf mehreren Ebenen so viel zu erzählen hat. Da ist die „Rahmenhandlung“, in der John Malloof von seiner Entdeckung berichtet, wie er es schafft, ihre Bilder auszustellen und damit ein öffentliches Interesse generiert, das die Arbeit von Vivian Maier mittlerweile zu einem von der Kunstwelt anerkannten Werk hat werden lassen.
Und dann ist da natürlich die Geschichte von Vivian Maier selbst. Von einer faszinierenden Frau, deren Hauptanliegen es zu sein schien, ihre Leidenschaft für das Fotografieren genauso zu verbergen wie ihr Privatleben überhaupt. Wie kam eine künstlerisch begabte Frau wie sie dazu, über vierzig Jahre lang als Nanny für großbürgerliche Familien zu arbeiten? Warum wollte sie ihre Fotos niemandem zeigen? Wozu fotografierte sie dann überhaupt? Was verbarg sie?
„Finding Vivian Maier“ ist allein deshalb ein wichtiger Film, weil er das Werk der Fotografin auch in Europa bekannt macht und zu einer Entdeckungsreise durch ihre faszinierende fotografische Welt einlädt. Sie hielt Straßenszenen fest, die die Tragik von Armut und Einsamkeit transportieren, ihnen aber auch eine große Würde verleiht. In ihnen liegt eine Menschenliebe, der Vivian Maier in ihrem eigenen Leben nur schwer Ausdruck verleihen konnte.
Weil er die Person selbst in den Vordergrund stellt, ist „Finding Vivian Maier“ aber mehr als eine Künstler-Biografie. Der Film taucht tief in die privaten Abgründe einer Person ein, die eben nicht wie ein Künstler im Licht der Öffentlichkeit stehen wollte. Er erzählt, wie die Fotos selbst, eine Alltagsgeschichte, die eben nicht banal ist, sondern voller Doppeldeutigkeiten, Spiegelungen, Geheimnissen. Und es gelingt den Filmemachern – glücklicherweise – auch nicht, diese Geheimnisse alle aufzuklären. Es geht hier um die Summe eines Menschenlebens, die am Ende eben nicht glatt aufgeht, wie wahrscheinlich bei jedem von uns. Das eigentliche Faszinosum dieses ungemein faszinierenden Films ist also das Leben selbst, das mit Vivian Maier eine ganz besondere Protagonistin schuf.
|