OT: La Guerre est Déclarée
Frankreich 2011
Regie: Valérie Donzelli
Kamera: Sébastian Buchmann
Darsteller: Brigitte Sy, César Desseix, Gabriel Elkaïm, Michèle Moretti, Valérie Donzelli, uva.
Laufzeit: 100 Minuten
Alles beginnt wie eine Geschichte aus dem Bilderbuch für Verliebte, die leidenschaftliche Romanze entwickelt sich bald zum Start ins gemeinsame Leben, denn Romeo und Juliette sind offensichtlich füreinander bestimmt. Mit der Geburt ihres Kindes ist das Glück vollkommen. Adam heißt der niedliche Fratz, den der Papa ebenso liebevoll betreut wie die vielbeschäftigte Mama. Der Kleine kränkelt immer mal wieder. Die Hausärztin rät schließlich zu weiteren Untersuchungen. Juliette und Romeo beruhigen wechselseitig sich selbst, einander, das Kind, die Großeltern. Es wird schon nicht so schlimm werden … aber es wird richtig schlimm. Adam hat einen Gehirntumor. Die Heilungschancen seien gut, heißt es. Doch die Prognose wird sich ändern, so wie sich das ganze Leben des Paars ändert. Romeo und Juliette verzweifeln nicht, sondern sie erklären der Krankheit humorvoll und entschlossen den Krieg. Über Jahre leben sie nur noch für ihr Kind, sie opfern alles dafür, auch ihre Liebe. Am Ende haben sie ihr Ziel erreicht.
Wie Valérie Donzelli (Drehbuch, Regie und Hauptrolle) gemeinsam mit Co-Autor und Romeo-Darsteller Gabriel Elkaïm diese Geschichte auf die Leinwand bringt, ist ziemlich überraschend. Anstelle einer Sammlung von dramatischen Bildern leidgeprüfter Angehöriger und besorgter Mediziner wird eine optimistische, oft sogar komische Geschichte präsentiert. Valérie Donzelli und Gabriel Elkaïm spielen ein perfekt aufeinander eingespieltes Paar, das sich die Lust am Leben bewahrt, auch wenn die Ausgelassenheit der Anfangsszenen später manchmal dem Galgenhumor weicht. Der hübsche, feurige Gabriel Elkaïm zeigt den Zweifler, der von seiner Frau auf Kurs gebracht werden muss, ebenso überzeugend und anrührend wie den vernünftigen, tröstenden Ehemann. Valérie Donzelli strahlt Sicherheit und Zuversicht aus, sie ist eine zu allem entschlossene Mutter. Verlässlich, diszipliniert – ein Fels in der Brandung. Nur selten bricht bei ihr die Angst aus, dann verändert sich ihr Blick, wird unruhig und sucht Halt bei Romeo. Das Paar stützt einander, die Rettung des Sohnes wird zur Mannschaftsleistung, der sich alles unterordnen muss.
Obwohl es sich um autobiographische Erfahrungen handelt, verfällt Valérie Donzelli nicht in Selbstmitleid. Mit leichter Hand zeigt sie in erfrischend unbefangenen Bildern und humorvollen Dialogen, wie Romeo und Juliette sich Mut machen. Sie halten zusammen als Schutztruppe und Streitmacht für ihren Sohn, gelegentlich sogar in Uniform: mit Gesichtsmasken und sterilen Anzügen im Krankenhaus oder in identischer Kleidung beim gemeinsamen Joggen. Generalstabsmäßig planen sie den Umgang mit ihren Familien, die Betreuung, die Freizeit. Bei aller Komik hat das viel Ernsthaftigkeit. Humor ist bekanntlich eine wichtige Waffe gegen alle Fährnisse des Lebens. Trotz aller originellen Einfälle wirkt der Film weder platt noch seicht, im Gegenteil.
Dabei schöpft Valérie Donzelli aus einem reichhaltigen Repertoire an Bildern und Symbolen aus der Filmgeschichte. Sie spielt mit Erzählformen und Genres, zitiert aus Musical, Märchen und Melodram und schafft dabei eine eigene, prägnante und sehr dynamische Bildsprache. Eine Menge Bewegung herrscht in diesem Film, oft unterstützt von sensibel eingesetzter Musik aus vielen Epochen und Stilrichtungen zwischen Klassik, Chanson und Electro. Die Kamera bleibt dicht an den Protagonisten, sie schafft betriebsame Nähe, wie bei den Fahrten durch scheinbar endlose Krankenhausgänge, wenn die Eltern neben Adam im Kinderbettchen herlaufen und sich in ihren Gesichtern Entschlossenheit, Angst und Hoffnung spiegeln.
Valérie Donzellis Film tröstet und ermutigt, aber er vermittelt mit viel Humor auch eine zutiefst menschliche Botschaft: „Gemeinsam können wir alles bewältigen.“ Trotz dieser ebenso schlichten wie wahren Aussage ist dieser Film alles andere als ein rührseliges Sozialdrama oder eine simple Krankheitsgeschichte. Vielleicht gerade deshalb wurde er der französische Oscar-Kandidat: als warmherzige Familiengeschichte mit optimistischer Grundstimmung.
Gaby Sikorski - programmkino.de
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